Liebe Freundinnen und Freunde von HohenEichen,
im heutigen Tagesevangelium nach Markus (Mk 5,21-43) stehen Begegnungen im Mittelpunkt. Eine große Menschenmenge versammelt sich um Jesus und folgt ihm. Er wendet sich ihnen zu und richtet seine Aufmerksamkeit auf den Synagogenvorsteher Jaïrus und seine verstorbene Tochter sowie auf eine Frau, die sich ihm nähert und sein Gewand berührt.
Jesus lässt sich auf die Begegnung mit den Menschen ein. Er nimmt sich Zeit für sie, er schaut sie an und hört ihnen zu, er spricht mit ihnen und sagt: „Fürchte dich nicht! Glaube nur! Steh auf! Geh in Frieden!“ „Jede Begegnung ist fruchtbar. Jede Begegnung gibt Menschen und Dingen ihren Platz zurück.“ So hat es Papst Franziskus ausgedrückt und bekräftigt, wie sehr die Welt eine „Kultur der Begegnung“ braucht. „Wenn ich nicht aufmerksam hinschaue – nur sehen reicht nicht aus, nein: aufmerksam hinschauen –, wenn ich nicht stehenbleibe, wenn ich nicht hinschaue, wenn ich nicht berühre, wenn ich nicht spreche, dann kommt keine Begegnung zustande und ich kann nicht dazu beitragen, eine Kultur der Begegnung zu schaffen“, so der Papst.
Begegnungen mit Menschen war auch der Schwerpunkt einer
Reise im Juni nach Palästina und Israel. Wir haben dort faszinierende Menschen kennengelernt. Wir haben ihnen zugehört und uns innerlich berühren lassen von ihren Freuden, Sorgen und Ängsten, die ihren Alltag prägen. Da war die Begegnung mit Usama Zoughbi, dem Leiter von Wi´am, einem Zentrum von christlichen und muslimischen Palästinensern, die sich für Versöhnung und Frieden einsetzen. Studierende der Universität Betlehem ließen uns teilhaben an ihrer Hoffnung auf eine bessere Welt. Im Caritas Baby Hospital Betlehem kamen wir mit Menschen ins Gespräch, die sich um die schwächsten Glieder der Gesellschaft kümmern. Wir waren zu Gast bei Mustafa Abu Sway, Professor und Dekan der Al Quds Universität in Abu Dis, der uns überzeugte, dass die „Besatzung nicht das letzte Wort haben darf und eine gerechte Welt auch in Palästina möglich ist“. Wir wurden begrüßt von David Neuhaus SJ, der uns teilhaben ließ an seinem Engagement für die Christen im Heiligen Land. In Nazareth trafen wir die Äbtissin Mère Bushra, die ihr Leben in der Nachfolge Jesu in einem Wort zusammenfasste: Dankbarkeit. Und dann war da noch Abed, unser Busfahrer, ein muslimischer Palästinenser aus Ostjerusalem mit israelischem Pass. „Wir israelischen Palästinenser sind die Verlierer in unserem eigenen Land“, sagte er, „doch Steine werde ich keine werfen, weil ich weiß, dass das Leben im Hier und Jetzt mit den Menschen um mich herum gelebt werden will.“
Begegnung ist ein hohes Gut. Das durften wir auf der Reise einmal mehr erfahren und dafür bin ich dankbar und froh. Gleichzeitig spüre ich aber auch, dass damit ein Auftrag verbunden ist, der immer wieder neu eingelöst werden will.
Ich wünsche Ihnen den Mut zur Begegnung und grüße Sie herzlich.
Ihr

Wilfried Dettling SJ