Liebe Freundinnen und Freunde von HohenEichen,
die Gedenktage im November laden dazu ein, die Endlichkeit unseres Lebens in den Blick zu nehmen. Schnell verbinden wir damit Dunkles und Schweres. Dass dies nicht unbedingt so sein muss, das habe ich vor einiger Zeit von einem Mitbruder gelernt, der an Krebs erkrankt war. Auf seine Krankheit hin befragt, zitierte er gerne einen Satz von Elmar Simma: „,Endlich leben‘. Wird das ,Endlich‘ betont, dann heißt das, dass unser Leben immer begrenzt und einmal zu Ende ist. Je mehr uns das bewusst ist, umso mehr können wir wirklich ,leben‘.“ Ein großartiger Gedanke! „Endlich leben“, fügte mein Mitbruder dann hinzu, hieße für ihn, „einmal (hoffentlich) versöhnt zurückblicken und dann (geb‘s Gott!) loslassen zu können in dem Bewusstsein, dass mit dem Tod ein neues Leben beginnt.“
In einem ganz anderen Zusammenhang sagte der Kabarettist und Liedermacher Hanns Dieter Hüsch: „Was ich im Leben gemacht habe oder gemacht haben könnte, ist, glaube ich, nichts anderes als der lebenslängliche Versuch, dem Menschen auf ganz unterschiedliche Weise behutsam klar zu machen, dass er sterben muss.“ Hüsch war davon überzeugt, dass wir unseren endlichen Lebensweg nicht allein gehen, dass wir von Gott angenommen und bewahrt sind, was immer geschieht.
Im vergangenen Jahr musste ich Abschied nehmen von einer Bekannten, die auch an Krebs erkrankt war. Wann immer sie bei uns im Haus an kontemplativen Exerzitien teilgenommen hatte, war das Thema Sterben, Tod und Umgang mit ihrer Krankheit präsent. Die Art und Weise, wie sie dann auf ihren Tod zuging, hat mich damals sehr berührt. „… ich fühle mich unglaublich getragen. Ich kann mich immer wieder ausrichten. Jesus als Anker, trotz aller Wellen und Stürme“, schrieb sie mir in ihrem letzten Brief. In ihrer Endlichkeit hatte sie erfahren dürfen, dass sie in Gott behütet und bewahrt ist, und sie lebte aus einer beeindruckenden Gewissheit, von Ihm erwartet zu werden. Auf ihrer Abschiedskarte zitierte sie den ersten Vers eines Psalms von Hans Dieter Hüsch, seiner Übertragung von Psalm 126:
Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.Gott nahm in seine Hände meine Zeit,mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen.mein Triumphieren und Verzagen,die Wunden und die Zärtlichkeit.Im Psalm von Hüsch geht es so weiter:
Was macht, dass ich so fröhlich binIn meinem kleinen ReichIch sing und tanze her und hinVom Kindbett bis zur LeichWas macht, dass ich so furchtlos binAn vielen dunklen TagenEs kommt ein Geist in meinen SinnWill mich durchs Leben tragenWas macht, dass ich so unbeschwertUnd mich kein Trübsinn hältWeil mich mein Gott das Lachen lehrtWohl über alle WeltVergnügt, erlöst, befreit. Fröhlich sein und furchtlos, singen und tanzen, sich durch das Leben tragen lassen und das Lachen nicht verlernen. Das wünsche ich Ihnen von Herzen, auch wenn es im Leben manchmal dunkel wird!
Ihr

Wilfried Dettling SJ